… waren die letzten Worte meiner Mutsch (mit Tränen in den Augen) beim Abschied. Gerade habe ich sie im Berliner Hauptbahnhof in den ICE nach Köln gesetzt und jetzt frage ich mich im Nachhinein mal wieder: wer sind eigentlich diese Leute, die den öffentlichen Nah- und Fernverkehr in Deutschland planen und organisieren? Können die noch etwas anderes als rechnen (zu lassen)? Eins steht fest: für Leute, die Kind und Koffer tragen müssen, für Menschen, die alt sind und nicht mehr so flitzen können und generell für Menschen mit körperlichen Einschränkungen wird hier weder geplant noch organisiert.
Wer den Berliner Hauptbahnhof noch nicht kennt: er ist der wichtigste Personenverkehrsbahnhof in Berlin und zugleich der größte Turmbahnhof Europas mit täglich etwa 300.000 Reisenden und Besuchern und ich persönlich mag ihn nicht besonders. Seine Dimension mag zwar sehr wirtschaftlich sein, aber für Reisende kommt der Weg zu ihrem Gleis dafür auch gefühlt der Durchquerung einer kleinen Stadt sehr nahe.
Wer lesen kann, ist klar im Vorteil
Ein Freund von mir hat außerdem schon einmal 1/2 Stunde lang verzweifelt sein Auto vor dem Bahnhof gesucht, bis ihm auffiel, dass wir den falschen Ausgang genommen hatten. Vor dem einen Eingang stand nämlich damals ein Weihnachtsbaum und auf der anderen Seite nicht.
Beide Eingänge des Gebäudes sind ansonsten optisch – im Gegensatz zu alten Bahnhöfen – nicht wirklich zu unterscheiden. Aber wozu sollte man die perfekte Symmetrie dieses gigantischen Glaspalastes und die Gleichwertigkeit der Eingangssituationen auch durch gestalterische Akzente in der Architektur durchbrechen, wenn es doch die Möglichkeit gibt, den Innenraum mit Schildern zu pflastern? Selbst Schuld, wenn man als Reisender oder Besucher nicht immer auf dem Schirm hat, wo die jeweiligen Straßen liegen, auf die sie verweisen, nicht lesen kann oder den Weihnachtsbaum übersieht.
Und der Bequemlichkeit und Barrierefreiheit wird ebenfalls Genüge getan, indem es – neben diversen Rolltreppen – auch direkt mehrere gläserne Fahrstühle im Bahnhof gibt. Hauptsache, man behält den Durchblick und so konnten wir auch die verzweifelten Gesichter derer sehen, die heute bereits in dem Fahrstuhl waren, den wir eigentlich nehmen wollten. Die Türen ließen sich nämlich nicht mehr öffnen, auch nicht auf dem darunterliegenden Geschoss. Da hatten wir ja im Prinzip noch Glück gehabt, dass wir draußen standen und nicht drinnen. Nur war das kein wirklicher Trost für meine arme alte Mutsch, als sie dann mit mir zum nächsten Fahrstuhl durch das Gedränge tippeln musste…
Zu aller Not (und wahrscheinlich vor Aufregung) hätte sie jetzt eigentlich gerne noch einmal eine Toilette aufgesucht, nur musste ich ihr den Wunsch leider verwehren, wenn wir ihren Zug auch rechtzeitig erreichen wollten. Für ausreichend WCs, die auf jeder Ebene schnell erreichbar sind, hat anscheinend der Platz im Hauptbahnhof nicht ausgereicht. Für 300.000 Fahrgäste gibt es dort gerade mal 17 Toilettenschüsseln. Oder der Einbau von WC-Kabinen folgte wohl zu wenig der Idee von Transparenz. Wäre sie ein Mann, hätte sie ihr Problem ja vielleicht lösen können, wie vor einigen Jahren ein 79-jähriger, der das Thema Transparenz im öffentlichen Raum konsequent fortgesetzt hat – ich jedenfalls hätte die Ordnungsstrafe auch gerne für sie bezahlt. Als Frau aber hätte sie sich dabei leicht verkühlen können, denn natürlich führt die große Offenheit dieses Gebäudes auch zu einem ordentlichen Luftzug.
Personal, das im Bahnhof rechtzeitig eine Information durchgibt oder Alten beim Einsteigen hilft? Fehlanzeige.
Glücklich schätzen sich im Fall der Fälle nur noch diejenigen, die ausreichend sehen können, um Zugnummern zu erkennen und sowohl schnell und wendig genug sind, um ohne Stress ihren Waggon erreichen zu können… Wozu gibt es eigentlich Wagenstandsanzeiger, wenn die Waggons dann doch jedesmal in der umgekehrten Reihenfolge stehen und man, obwohl man ausreichend Zeit zum Einsteigen eingeplant hatte, dann (vielleicht auch noch mit voller Blase) den halben Bahnsteig wieder zurückhetzen muss? Und die Bahnsteige sind laaaang im Berliner Hauptbahnhof… Meinem Mütterchen musste ich es deshalb schweren Herzens überlassen, diesen Weg mit Koffer zum Teil alleine im Zug zu bewältigen, damit sie seine Abfahrt nicht versäumte.
Ach ja und bei meiner Rückfahrt mit der S-Bahn war ich froh, dass ich bereits eine Fahrkarte dabei hatte. Der Fahrkarten-Automat auf meinem Bahnsteig war nämlich defekt und wer weiß, wo der nächste funktionierende gewesen wäre. Wahrscheinlich auch wieder 3 Rolltreppen und 500 m entfernt… Nun, ich könnte ja zur Not (noch) relativ gut laufen, aber andere…

Ich wäre ja dafür, dass man mal beginnt, bei der Einstellung von Planern und Organisatoren neue Maßstäbe anzulegen; allem voran sollten sie ein Mindestmaß an Sozialkompetenz und praktischem Menschenverstand besitzen. Vielleicht sollten sie auch nachweisen, dass sie irgendwann in ihrem Leben schon einmal über einen längeren Zeitraum (alleine!) die Verantwortung für Kinder, Senioren oder Menschen mit Handicap übernommen haben – einschließlich der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel natürlich. Dann klappt´s bestimmt auch wieder mit den Beförderungszahlen. Nur die Frage ist: verfügen wiederum diejenigen, die diese Personalentscheidungen treffen, über ausreichend Sozialkompetenz und praktischen Menschenverstand?